Barbara Gassmann, 64, Pflegefachfrau aus Bern. Foto: Pia Neuenschwander

Warum christkatholisch?

Barbara Gassmann und Ilya Kaplan erzählen, warum die christkatholische Konfession für sie Heimat (geworden) ist.

Die christkatholische Kirche ist mit ihren rund 12000 Mitgliedern die kleinste Landeskirche der Schweiz. Barbara Gassmann und Ilya Kaplan aus Bern erzählen, warum diese Konfession Heimat für sie (geworden) ist.

Aufgezeichnet von Anouk Hiedl

Barbara Gassmann: «Fragt man mich, ob ich katholisch oder reformiert sei, antwortete ich schon als Kind: Weder noch. Ich bin christkatholisch. Für mich ist es immer noch etwas Besonderes.

Wenn ich erklären muss, dass das keine Sekte, sondern unsere dritte Landeskirche ist, verstanden das früher nur wenige. Wenn ich nur sage, dass Pfarrer:innen bei uns heiraten dürfen oder der Papst nicht als unfehlbar gilt, wird es oberflächlich.

Im Alltag kommt der Glaube nicht oft, in meinem Pflegeberuf gelegentlich vor. Missionieren ist bei uns verpönt. Konvertieren ist für viele etwas Schwieriges. Im Glauben hängt viel mit Familientraditionen, Loyalität und Identität zusammen. Die kirchliche Gemeinschaft war mir immer wichtig und half mir, auch woanders Fuss zu fassen. Sie ist noch heute ein Grund, warum ich aktiv in der Kirche bin.

Die römisch-katholische Kirche ist mir näher als die reformierte. Weil sie so gross ist, kann sie Innovatives tun. Doch ihre Machtverhältnisse und wiederkehrenden Blockaden gefallen mir nicht. Die christkatholische Haltung ist freier. Wir sind klein und haben nur wenige Strukturen. Wir wählen unsere Pfarrer:innen selber.

Der Austausch innerhalb unserer Kirche ist toll – Prof. Angela Berlis von der Uni Bern, die erste altkatholische Priesterin, kam, um mit unserer kleinen christkatholischen ‹Glaubensgruppe› zu diskutieren. Das Wichtigste jedoch ist, die Beziehung zu Gott zu suchen.»

Ilya Kaplan: «Ich bin in Kasachstan russisch-orthodox aufgewachsen. Ich bin dann aber nicht Priester geworden, sondern habe an der Uni Bern in Theologie promoviert und mich damit beschäftigt, wie man den christlichen Glauben im Licht der kirchlichen Tradition neu formulieren kann.

Ich bin kritischer geworden. Das hat meinen Glauben gestärkt. Letzten Mai bin ich christkatholisch geworden. So lebe ich meinen Glauben an Christus eng mit der frühkirchlichen theologischen und liturgischen Tradition verbunden und auf zeitgemässe Weise.

Christkatholisch zu sein umfasst für mich Offenheit, einen freien Geist und die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Menschen. In diesem Sinne bin ich schon viel länger christkatholisch. Ich liebe und schätze die russisch-orthodoxe Tradition, sie hat mich geprägt. Doch sie reagiert langsam auf die heutigen Herausforderungen.

Als offen queere Person wäre das ein ständiger Kampf. Die christkatholische und die orthodoxe Kirche stimmen in dogmatischen Fragen überein. Auf praktischer Ebene jedoch gibt es viele Unterschiede, etwa die Position von Frauen in der Kirche. Das macht den Dialog schwieriger.

Im Christentum drücken wir unseren Glauben in Theologie und kirchlicher Praxis unterschiedlich aus. Das schafft eine positive Vielfalt. Anhand dieser können wir reflektieren, wie wir unseren Glauben besser leben und in die Welt tragen. Als Christkatholik sehe ich mich als Brückenbauer – zwischen römisch-katholischer und reformierter Kirche, zwischen westlichen und orthodoxen sowie älteren und moderneren Traditionen.»

Wanderausstellung in Bern
Von 2021 bis 2026 wandert die Ausstellung «unterwegs» durch die Schweiz. Sie steht ganz im Zeichen von «150 Jahre christkatholische Theologie in Bern». Im Zentrum stehen die Spannungsfelder, mit denen sich die christkatholische Kirche bis heute beschäftigt.
Aktuell ist die Ausstellung in der Kirche St. Peter und Paul in Bern zu sehen (beim Rathaus): Mittwoch bis Sonntag, 14.00 bis 17.00 (bis Samstag, 27. Juli).
Weitere Infos: www.christkatholisch-unterwegs.ch


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