Franziskaner on Tour. Foto: zVg

Voll detox!

Ein Lehrer aus Bern wird Franziskaner

Im Mai praktizierten die Schweizer Franziskaner gemeinsam mit Menschen in Bern ein Stück franziskanische Spiritualität. Bei der Vesper in der Dreifaltigkeitskirche sprach der ehemalige Berner Lehrer Florian Schlittler darüber, warum er bald ins Kloster eintreten möchte.

Christian Geltinger 

Was würden ihn wohl seine Schüler:innen im Berner Gymnasium Kirchenfeld fragen, wenn sie ihn jetzt treffen würden? Wie kann man heute noch ins Kloster gehen? Warum entscheidet man sich freiwillig für ein Leben ohne Party, Urlaub, schicke Klamotten und ein schnelles Auto?

Junge Menschen, die gerade dabei sind, ihre Sexualität zu entdecken, sich auszuprobieren und viel offener über die verschiedensten Formen von Sexualität nachzudenken, von Nonbinarität bis Polyamorie, mögen sich auch fragen: Warum entscheidet man sich freiwillig für ein Leben in Keuschheit?

Auf der Suche nach Sinn und Nachhaltigkeit

Vielleicht gibt es aber auch Youngsters, deren Haltung und Lebenspraxis, deren persönliche Sehnsucht nach Sinn und deren Kampf gegen Schubladendenken gar nicht so weit entfernt ist von den Grundsätzen eines Franziskanermönchs. In einer konsumgetriebenen und hochsexualisierten Gesellschaft treten immer mehr Jugendliche dafür ein, als Person frei von vorgefertigten gesellschaftlichen Kategorien gesehen zu werden.

Sie suchen Sinn in einem Leben, das auf Nachhaltigkeit angelegt ist, im Umgang mit der Natur und mit den Menschen. Allein das Umfeld macht es einem da manchmal gar nicht so leicht. In einem Klima schier ungeahnter Möglichkeiten Armut und Enthaltsamkeit nicht als Verzicht zu denken, sondern als Bereicherung, erfordert einen Sinneswandel und einen Wandel der Sinne, der sich über Jahre hinzieht.

Umso mutiger ist die Entscheidung von Florian Schlittler, der derzeit als sogenannter Postulant bei den Franziskanern lebt. Es ist dies eine längere Phase des Kennenlernens, der Selbstbefragung, der Bewährung, bevor man dann die Gelübde ablegt und in den Orden aufgenommen wird. Für den St. Galler, der in der Mitte des Lebens steht und knapp 20 Jahre in Bern gelebt hat, gab es bereits Anfang der 2000er Jahre eine Auseinandersetzung mit der Frage, ein Leben mit Gott zu wählen. Schlittler war damals nach einem Unfall eineinhalb Jahre ans Bett gefesselt und hatte viel Zeit, über den Sinn des Lebens nachzudenken.

Schon früh Kontakt zum klösterlichen Leben

Im Gegensatz zu heutigen Kids war Florian Schlittler das Klosterleben von Kindheit an vertraut. Seine Tante lebte nicht unweit von St. Gallen im Kloster Notkersegg. Damals waren die Kapuzinerinnen noch streng von der Aussenwelt abgeschottet. Durch ein Gitter, durch das man kommunizierte, schob die Tante ihrem jungen Neffen die selbstgebackenen Kekse zu. Heute sind es seine Neffen, die ihn zu Anlässen wie in der Berner Dreifaltigkeitskirche besuchen kommen. 

Doch auf Schlittlers Lebensweg schob sich zunächst die Berufung als Lehrer und die Freude an der Arbeit mit jungen Menschen vor die Berufung für ein Klosterleben. Die Erfahrung, dass der schönste Beruf zur Routine werden kann, dass die Verpflichtungen und Automatismen den Blick fürs Wesentliche verstellen können, kennen sicherlich viele, die schon einige Zeit in ihrem Berufsleben stehen. So war es auch bei Schlittler.

Beim Spaziergang überlagerten immer wieder die kleinen Alltagsproblemchen die Betrachtung der Natur, den Genuss der Stille. Inmitten der Reize, denen wir heute unentwegt ausgesetzt sind, fiel es ihm immer schwieriger, Räume zu finden, um sich selbst und Gott zu begegnen. Daher sind Angebote wie eine Auszeit im Kloster immer mehr in Mode gekommen.

Wenn Florian Schlittler über seine Entscheidung über ein Leben im Kloster spricht, wirkt er ganz mit sich im Lot. Er hat gefunden, wonach er gesucht hat, Stille, Gemeinschaft, Begegnung mit Gott und Konzentration aufs Wesentliche. Voll detox!

 

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