RKZ-Generalsekretär Urs Brosi führt 550 Schweizer Minis durch Rom. Foto: Bianca Rehm

Urs Brosi: «Die Jugendlichen wissen, dass in der Kirche nicht alles ideal läuft»

RKZ-Generalsekretär Urs Brosi begleitet die diesjährige Ministranten-Wallfahrt nach Rom und spricht dort auch schwierige Themen an.

RKZ-Generalsekretär Urs Brosi begleitet die diesjährige Ministranten-Wallfahrt nach Rom. Er weiss: Es ist wichtig, auch die schwierigen Themen anzusprechen. Nur so gewinne man das Vertrauen des Kirchennachwuchses.

Magdalena Thiele

«pfarrblatt»: Sie begleiten die Schweizer Minis die ganze Woche in Rom. Was genau macht ein Generalsekretär der RKZ bei einer Ministrantenwallfahrt?

Urs Brosi: (lacht) Ich bin nicht als RKZ-Generalsekretär dabei, sondern als Urs Brosi. Das heisst, wie alle im Organisationskomitee bin ich in meinen Ferien hier. Vor sechs Jahren, als ich noch nicht RKZ-Generalsekretär war, war ich schon einmal als Stadtführer mit den Minis unterwegs. Das Konzept ist gleich geblieben. Ein Tag ist der Papstaudienz gewidmet und an den anderen vier Tagen wird Rom erkundet. Ich bin für den westlichen Stadtteil zuständig und versuche, das in einer jugendkonformen Form zu machen.

Was heisst «jugendkonform»?

Brosi: Ich bemühe mich, eine möglichst einfache Einführung in die diese vor Monumenten und Baustilen strotzende Stadt zu geben. Jugendkonform heisst für mich, dass ich die Objekte, die wir ansteuern, gezielt auswähle. Wir halten nicht an jeder Ecke an. In der ältesten Marienkirche Roms, Santa Maria in Trastevere, haben wir uns beispielweise Zeit genommen, um ein bestimmtes Bild zu betrachten: Es zeigt Männer, die an einer Konzilsversammlung sitzen, und Frauen, die ausserhalb dieser Zusammenkunft sind.


Letztlich erkläre ich, dass die Frauen allegorische Figuren sind. Aber das wirklich Spannende sind die Empfindungen und Deutungen der Jugendlichen, wenn sie sich dem Bild zunächst ohne nähere Erläuterung widmen. Natürlich kommen wir dann auch darauf zu sprechen, dass weibliche Ministrantinnen erst seit 30 Jahren in der katholischen Kirche offiziell erlaubt sind. Vielen ist das heute nicht mehr bewusst.

Sie fordern also eine Reaktion der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein?

Brosi: An der Stelle ist das möglich, das ist es aber nicht immer. Das ist auch der Tatsache geschuldet, dass pro Gruppe zwischen 80 und 100 Teilnehmer dabei sind. Das bringt logistische Herausforderungen mit sich. Wo finden sich Plätze, um mit so vielen Personen Objekte in Ruhe zu betrachten? Für meine erste Tour vor sechs Jahren bin ich deshalb extra eine Woche früher angereist. So konnte ich die besten Wegstrecken und Schattenplätze vorab ausmachen.

Welche Highlights hat Ihre Tour noch zu bieten?

Brosi: Viele! Eines ist der Palazzo della Cancelleria - ein wunderschöner Renaissancepalast, der dem Heiligen Stuhl gehört. Dort spüren wir dessen Entstehungsgeschichte nach: Kardinal Raffaele Riario wurde bereits mit 17 Jahren zum Kardinal ernannt, weil sein Grossonkel Papst war. Diese Vetternwirtschaft ist auch Teil der Kirchengeschichte.

Es wäre nicht authentisch, wenn man nur die ruhmreichen Dinge erzählen würde. Als Kardinal gewann Raffaele Riario gewinnt beim Kartenspielen mit dem spielsüchtigen Sohn des Papstes – auch ein weniger ruhmreiches Kapitel der Kirchengeschichte – eine beträchtliche Menge Geld. Überliefert ist eine Zahl von 14’000 Dukaten. Diese waren das Startkapital für den pompösen Palast.

Sie sprechen von Vetternwirtschaft, welche anderen kritischen Dinge thematisieren Sie beim Stadtrundgang?

Brosi: Leider gibt es einige, heute fragwürdige Dinge, die der Kirche zu Reichtum verholfen haben. Dazu gehören neben der Vetternwirtschaft auch die Ämterschacherei und sicherlich der Ablasshandel. Die Schönheit und die Pracht der Kirche haben Schattenseiten. Als Kirche müssen wir dazu stehen. Darüber offen zu reden zeigt Ehrlichkeit und Verantwortungsbereitschaft gegenüber Jugendlichen, die sich in der Kirche engagieren. Aber die Jugendlichen sind ohnehin kritisch genug, um zu wissen, dass damals wie heute in der Kirche nicht alles ideal läuft.


Die letzte Mini-Wallfahrt ist bereits sechs Jahre her. Ist das ein Indikator für die Relevanz der Jugendpastoral?

Brosi: Ich würde die Wichtigkeit der Jugendpastoral nicht an der Häufigkeit dieses Events festmachen. Immerhin bedeutet so eine Wallfahrt für alle einen riesigen Organisationsaufwand.

Die Bedeutung der Ministrantenarbeit innerhalb der Kirche ist sehr hoch einzuschätzen. Dadurch gelingt es, Jugendliche für die Liturgie und im weiteren Sinne auch für die Kirche zu motivieren, sie können sich aktiv einbringen. Minis sind junge Menschen, die in der Lage sind, eine Stunde ruhig zu sitzen, was aber nicht heisst, dass sie deswegen nur brav und unkritisch wären. Positiver Nebeneffekt: Wenn junge Menschen über das Pubertätsalter hinaus beim Ministrieren bleiben, kann ihnen dieser Dienst helfen, einen reifen Erwachsenenglauben zu entwickeln. Dies setzt allerdings voraus, dass Minis Ansprechpersonen haben, die Vorbilder sind und für ihre Fragen ein Ohr haben.

Der Erfolg dieser Arbeit zeigt sich auch daran, dass erfreulich viele junge Erwachsene in Rom dabei sind. Ministrantenarbeit ist also viel mehr als eine Verschönerung der liturgischen Gestaltung.

Während Ihrer Zeit in Basel und Bern waren Sie selbst auch Ministrant. Was war ihre liebste Aufgabe?

Brosi: Ja, ich habe sieben Jahre lang ministriert, bis ich zum Studium nach München ging. Sowohl in Basel, wo ich aufgewachsen bin, als auch später als Theologe und Ministrantenpräses in Bern war ich meistens der Zeremoniar. Also jemand, der eigentlich im Hintergrund ist und schaut, dass alle anderen ihre Aufgabe haben und wissen, wann sie sich wohin bewegen müssen. Bei grossen Messen wie Weihnachten und Ostern hatten wir Gottesdienste mit 20 Ministranten. Da braucht es einen, der den Überblick behält.


*Urs Brosi ist Generalsekretär der RKZ, dem Dachverband der Kantonalkirchen. Zwischen 1993 und 1997 war er Pastoralassistent in der Dreif in Bern.

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