RKZ-Fokus-Treffen in Bern. Foto: Annalena Müller

RKZ-Fokus: «Das Erdbeben hat noch nicht alle erschüttert»

Der diesjährige RKZ-Fokus stand im Zeichen der Krise. Aber es gab auch positive Ausblicke.

«Einige in der Regatta haben den Turn schon genommen, während andere noch mit den Wellen kämpfen, die sie selbst verursacht haben», so die bildhafte Zusammenfassung des Umgangs der Schweizer Kirche mit dem Missbrauchskomplex. Beim diesjährigen RKZ-Fokus zeigten sich die Kirchenvertretende selbstkritisch, aber auch optimistisch.

Annalena Müller

Einmal im Jahr trifft sich das «Who is Who» der Schweizer Kirche in Bern. Der RKZ-Fokus dient der Vernetzung, dem Austausch – und der Auseinandersetzung mit einem Grossthema. Dieses Jahr stand das Treffen unter dem Motto «Ist Krise immer eine Chance? Ein erstes Fazit zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche der Schweiz». Der Tenor des Abends im PROGR: Die Kirche erlebt ein Erdbeben, aber die Erschütterung hat noch nicht alle erreicht.

Krise als Chance

Kathrin Hilber, Ombudsperson im Bistum St. Gallen, und Iwan Rickenbacher, Unternehmensberater, diskutieren auf der Bühne über Krise und ob diese immer eine Chance sei. Einig sind sich die Diskutanten darin, dass es letztlich an den Akteur:innen liegt, ob es gelingt, aus einer Krise eine Chance zu machen. Dafür müssen sie die Krise als solche anerkennen und in Angriff nehmen.

Den Status der Kirche Schweiz vergleicht Rickenbacher mit einer Regatta. Einige hätten den Turn schon genommen, «während andere noch mit den Wellen kämpfen, die sie selbst verursacht haben». Aber, der prinzipielle Wille zur Veränderung sei da. «Sonst wären wir jetzt nicht hier».

Synodaler Geist in Bern

Dann sind die anderen dran. Im synodalen Geist sind die Teilnehmenden des RKZ-Fokus Tischen zugewiesen. Insgesamt sind es zehn Tische; im Gegensatz zur Weltsynode sind die meisten eckig und nicht rund. Dennoch fliesst der Austausch.

Jubla-Bundespräses Moritz Zimmermann weist in seiner Gruppe auf die Schwierigkeit aller Institutionen hin, Krisen überhaupt zu erkennen. «Institutionen sind träge Systeme, die auf externe Indikatoren angewiesen sind, um zu erkennen, dass sie in einer Krise stecken.» Da unterscheide sich die Kirche nicht von einem Unternehmen, das oft auch erst merkte, wo es stünde, wenn ihm die Kunden wegliefen.

Das Erdbeben hat nicht alle erreicht

Charles Martig, Leiter Kommunikation der Berner Landeskirche, stimmt Zimmermann zu. Erkennen sei die erste Hürde. Aber selbst wenn diese genommen wurde, folge daraus nicht zwingend ein Kulturwandel. Das zeige der Umgang mit zwei aktuellen Fällen im Bistum Sitten und im Bistum Lugano.

Im Bistum Sitten wurde der wegen Missbrauchsvorwürfen abgesetzte Chorherr Gilles Roduit kurze Zeit später wieder in sein Pfarramt eingesetzt, nachdem Roduit in einen Hungerstreik getreten sei. Das Bistum Lugano machte im August Schlagzeilen, als ein Priester wegen Missbrauch einer minderjährigen Person verhaftet wurde. Der Priester hatte wenige Wochen zuvor noch ein Jugendlager geleitet, obwohl das Bistum seit drei Jahren über die Vorwürfe informiert war. Diese Fälle zeigten, dass das Erdbeben noch lange nicht alle spüren würden.

Ratlosigkeit und Hoffnung

Auch von anderen Tischen hört man ähnliche Einschätzungen. «Vielleicht muss es noch mehr wehtun, bevor alle es verstehen», heisst es unter anderem. Es ist eine gewisse Ratlosigkeit zu spüren. Und auch Frust gegenüber Ordinariaten, die über Kulturwandel reden, aber Strukturwandel scheuen.

Es fällt auf, dass bei diesem RKZ-Fokus Treffen, die pastorale Seite vergleichsweise wenig präsent ist. Aus dem Bistum Chur ist Generalvikar Luis Varandas da, aus dem Bistum Basel Weihbischof Josef Stübi. Die Schweizer Bischofskonferenz hat ihren Generalsekretär Davide Pesenti nach Bern geschickt. «Das war schon anders», ist hinter vorgehaltener Hand zu hören.

Trotz der ernsten Themen ist die Stimmung im PROGR gut. Das ist auch der Präsidentin der Berner Landeskirche, Marie-Louise Beyeler, zu verdanken. In ihrem Schlusswort erinnert sie daran, dass trotz aller Probleme Kirche nicht nur Krise sei. Viele Menschen gingen gerne in den Gottesdienst, engagierten sich mit Freude und genössen das bereichernde Pfarreileben. «Das sehe ich selbst jeden Sonntag.» Und das gebe ihr den Elan weiterzumachen.

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