Schwester Lutgarde mit der amtierenden Klosterkatze Babette. Foto: Romina Ebenhöch

Müstair: nicht von dieser Welt

Ruhe, Güte, Schalk: 48 Stunden im Kloster Müstair

Das Kloster St. Johann in Müstair lässt die Hektik der Welt vergessen. Die Schwestern strahlen Ruhe und Güte aus, aber auch einen gewissen Schalk. Der zeigte sich unter anderem mit Klosterkater Mörli, der mit ihnen in der Klausur lebte.

Annalena Müller

Die Klosterfrauen bestatteten den alten Kater im Klostergarten. «Alle Schwestern haben dem Begräbnis beigewohnt», erzählt Schwester Pia. Sie ist mit 93 Jahren die älteste im Kloster St. Johann in Müstair. Und Schwester Dominica bestätigt: «Mörli hat bei uns als einziger Mann in der Klausur gelebt». Auch ins Refektorium, den Speisesaal, durfte er. Nur wenn Visitation war oder Obere im Kloster weilten, hätten die Frauen den Kater nach draussen beordert. «Das hätte sonst Ärger gegeben», sagt Dominica und lacht verschmitzt.


Heute lebt wieder eine Katze bei den Frauen in Müstair. Ob Babette die gleichen Privilegien wie ihr Vorgänger Mörli geniesst, sagen die Schwestern nicht. Aber geliebt wird auch diese Vierbeinerin. Babette ziert zahlreiche Postkarten im Museumsshop, die Schwester Pia malt. Und auf einem Kinder-Klosterplan führt sie die jüngsten Besucher:innen durch das Kloster.

Reise in eine andere Welt

Wer den Weg ins Kloster St. Johann in Müstair auf sich nimmt, findet dort eine eigene Welt vor. Liebevolle Geschichten von Babette und Mörli erfährt man hier genauso wie benediktinische Gastfreundschaft. Und, wer möchte, kann teilhaben an der tiefen Spiritualität, welche die Schwestern in dem 1250-jährigen Kloster leben.

Klostergäste dürfen die Schwestern zu den Gebeten begleiten, die den Tag hier strukturieren. Das erste Gebet, die Vigil, eröffnet den Tag um 05.30. Um 07.00 folgt die Laudes, das Morgenlob, und direkt im Anschluss die Messe. Bleiben die Schwestern für die ersten beiden Gebete zumeist unter sich, nehmen an der Messe oftmals Gäste des Klosters teil sowie Gläubige aus dem Dorf.


Noch vor dem Frühstück haben die Benediktinerinnen für Frieden gebetet und Gottes Gnade für diejenigen erbeten, «die sie am meisten brauchen», gleich ob sie an Gott glauben oder «noch nicht». Die Frömmigkeit der Frauen zu erleben, ihre Demut zu spüren, das bewegt – ganz gleich, wie man zur Kirche steht.

Auf der Suche nach Spiritualität

Beim Frühstück im Gästetrakt erzählt eine Frau aus Baselland, dass sie aus der Kirche ausgetreten sei. Sie «stimme mit dem Bodenpersonal nicht überein». Gemeint, so lässt der Kontext des Gesagten vermuten, ist neben Klerikalismus wohl auch Missbrauch. Ins Kloster St. Johann kommt die Frau aber gerne. Diesmal bleibt sie sechs Tage. Auch an den Gebeten nehme sie teil, nur an der Eucharistie nicht.


Eine ähnliche Grundeinstellung findet man auch bei anderen Gästen: christlich ja, römisch-katholisch nein. Ein lutherisches Ehepaar aus Norddeutschland schwärmt von der Spiritualität, die sie in Müstair spüren. Auch sie sind nicht zum ersten Mal hier. Die meisten Gäste bleiben zwischen einer und zwei Wochen im Kloster St. Johann und verbinden hier Ausflüge in die atemberaubende Natur mit Rückzug und Klosterspiritualität.

An diesem Junimorgen sind alle Gäste ausser der Ex-Katholikin zur Eucharistie gegangen. In der Einladung zur Messe, die in den Gästezimmern ausliegt, heisst es: «Der Empfang der hl. Kommunion setzt den Glauben an die Gegenwart Jesu Christi voraus.» Von Transsubstantiation und Realpräsenz stehe da nichts, sagt der Gast aus Norddeutschland. Gelebte Ökumene im Val Müstair.

Dieser pragmatische Geist, der alle willkommen heisst, die teilhaben wollen, passt in das abgeschiedene Kloster. Kommt man mit den Schwestern ins Gespräch, spürt man ihre Sehnsucht nach dem Guten und ihre Akzeptanz der Dinge, die sie nicht beeinflussen können - nicht zuletzt in ihrem Umgang mit Kater Mörli, der im Alltag alles durfte. Nur wenn römischer Besuch kam, musste Mörli kurz draussen warten.
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Raus aus der Komfortzone, rein ins Klosterleben:


Sarah Gloor und Annalena Müller haben den Klosteralltag fürs «pfarrblatt» gelebt.
In unserer Instagram-Serie «Zwei Städterinnen im Kloster» erzählen sie vom Aufstehen um 05.00, Schweigegebot am Abend, Karl dem Grossen und vielem mehr.

 

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