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Keine einfachen Antworten

Aki-Kolumne von Geneva Moser

Das Ausmass des sexuellen Missbrauchs im Kontext der römisch-katholischen Kirche ist seit der im September 2023 veröffentlichten Pilotstudie nicht mehr zu verleugnen, zu bagatellisieren oder zu ignorieren. Weniger gesprochen wird über spirituellen oder geistlichen Missbrauch, obwohl es für «den Tatkontext Kirche» typisch ist, dass «sexueller Missbrauch eng mit spirituellem Missbrauch» verknüpft ist, wie die Herausgeberinnen des Buches «Selbstverlust und Gottentfremdung. Spiritueller Missbrauch an Frauen in der katholischen Kirche» (2023) betonen.

Wichtig also, sich mit dieser Form des Missbrauchs zu befassen, gerade im Kontext der Hochschulpastoral: Die Franziskanerin Sr. Marie-Pasquale Reuver, selber Hochschulseelsorgerin, fragt in einem Artikel auf feinschwarz.net nach spezifischen Faktoren, die den Missbrauch geistlicher Autorität in der Hochschulpastoral begünstigen und macht verschiedene Gefahrenfelder aus. Sie hebt hervor, was auch wir im aki immer wieder erleben: Studierende sind in einer vulnerablen Lebensphase – «Ablösung von zuhause und Suche nach der eigenen Form der Lebensgestaltung, Zukunftsangst und Leistungsdruck, Einsamkeit an einem neuen, unbekannten Ort und Ängste den Studienalltag (finanziell) nicht zu meistern.»

Gerade in die explizit liturgischen oder geistlichen Angebote der Hochschulseelsorge kommen spirituell suchende Menschen, die sich nach Räumen für ihre Fragen und ihre Spiritualität sehnen. Das fordert uns Mitarbeitenden auf, uns bewusst zu sein, dass wir auf Menschen mit hoher Motivation und Sehnsucht treffen. Das macht anfällig für «falsche Leuchttürme und einfache Antworten», wie Sr. Marie-Pasquale Reuver es formuliert. Gerade in der Phase, wo der Kinderglaube nicht mehr greift, aber erwachsene Glaubenswahrheiten erst gesucht werden, braucht es eine sorgfältige, ergebnisoffene und individuelle Begleitung: «Es braucht Orientierungsräume, um nicht vermeintlich sicheren Leuchtfeuern vorschnell nachzueifern. Es braucht Seelsorger:innen, die sich ihrer Deutungsmacht bewusst sind und deshalb umso bewusster einen Schritt zurücktreten.» Sr- Marie-Pasquale Reuvers ist sich sicher – und ich mit ihr – dass Hochschulseelsorge dann die Chance hat, «ein Ort für junge Menschen zu sein, der sie erfahren lässt, dass Gott letztlich Geheimnis ist.»

Geneva Moser

Zum Weiterlesen:
Sr. Marie-Pasquale Reuver zur Hochschulpastoral: www.feinschwarz.net/hochschul-pastoral-und-geistlicher-macht-missbrauch
B. Haslbeck, U. Leimgruber, R. Nagel, P. Rath (Hg.): Selbstverlust und Gottentfremdung: Spiritueller Missbrauch an Frauen in der katholischen Kirche, Patmos 2023.

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