Podium in Bruder Klaus Bern, mit dem Journalisten Miachel Meier und Pfarrer Nicolas Betticher. Foto: Vera Rüttimann

«Ich fühle mich wie ein Advocatus Diaboli»

Journalist Michael Meier findet, Papst Franziskus sei kein Reformer

«Der Papst der Enttäuschungen. Warum Franziskus kein Reformer ist». Das neue Buch des Journalisten Michael Meier wurde unlängst in der Pfarrei Bruder Klaus in Bern vorgestellt. Auf dem Podium befragte ihn Pfarrer Nicolas Betticher dazu. 

Vera Rüttimann

«Welchen Leserkreis hatten Sie im Kopf, als Sie dieses Buch geschrieben haben?», möchte ein Gast an dieser Buchvorstellung wissen. Michael Meier: «Am liebsten ein breiter Kreis!» Dieser ist denn auch im Pfarrsaal der Bruder Klaus-Pfarrei in Bern erschienen.

«Warum dieses Buch?», fragt Nicolas Betticher seinen Gast. «Ich habe schon zu Beginn seines Pontifikates gedacht: Franziskus wird falsch eingeschätzt», sagt Michael Meier. In der Regel sage man, er sei ein Reformer, der an der konservativen Kurie auflaufe. «Ich glaube das aber nicht. Er hat zwar viele positiven Zeichen gesetzt, sie aber nicht in der Lehre verankert.» So blieben sie unverbindliche Gesten.

Ein weiterer Punkt, der bei Papst Franziskus oft falsch eingeschätzt werde, sei seine «Personalpolitik der Peripherie». Er habe, so Michael Meier, zwar erstmals Kardinäle in Ländern wie Japan oder in afrikanische Länder eingesetzt. Wenn man sich aber die Kardinäle näher anschaue, dann erkenne man ein Muster: «Die meisten dieser Kardinäle sind sehr sozialpolitisch engagiert, moraltheologisch sind sie aber sehr konservativ.»


Nicht mehr Chefsache

Ein Thema, das allen Anwesenden unter den Nägeln brennt, ist der sexuelle Missbrauch in der katholischen Kirche. «Was tut Franziskus dagegen?», fragt Nicolas Betticher.  «Es ist heute tatsächlich schwieriger, dass ein Bischof einen fehlbaren Priester einfach versetzen kann. Noch immer aber sind die Bischöfe die Einfallsstellen für die Vertuschungen des sexuellen Missbrauchs», betont Michael Meier. Wieso, fragt ein Gast, treten Bischöfe nicht zurück wie ein fehlerhafter CEO? Nicolas Betticher antwortet: «Sie haben recht, es gibt keinen Ort in der Kirche, der die Bischöfe begleitet und kontrolliert.»

Im Jahr 2015, so Michael Meier, habe der Papst an der Kurie tatsächlich einen eigenen Gerichtshof für Bischöfe schaffen wollen, die sich des sexuelllen Missbrauchs schuldig gemacht haben. Der sei allerdings bis heute nicht umgesetzt worden. Die Gäste erfahren, was Michael Meier noch viel mehr ärgert: Da der neue Glaubenspräfekt sich nicht um das Thema sexuellen Missbrauch kümmern wollte, wurde es einem unbekannten irischen Priester übergeben. «Er zeigt: Sexueller Missbrauch ist nicht mehr Chefsache in Rom», betont Michael Meier.

«Gleichmacher und Worthülsen»

Stichwort Synodaler Prozess. Nicolas Betticher fragt Michael Meier: «Dieser Prozess wurde weltweit begrüsst. Sehen Sie da eine echte Chance, unsere Kirche von innen her zu erneuern?» Michael Meier sagt kurz und knapp: «Überhaupt nicht! Es ist absehbar, wohin er führt. Nämlich zu schönen Worten und Absichtserklärungen.» Der Papst habe ja von Beginn an gesagt, dass dies kein Parlament sei und demokratische Entscheidungsfindung nicht in Frage kämen. Die heissen Eisen wie Bischofsamt und Frauenpriestertum seien zudem bereits ausgeklammert worden.

Nicolas Betticher glaubt, dass selbst Rom nicht wisse, wohin dieser Weg führen soll. «Ich glaube, Franziskus will, dass wir uns leiten lassen durch den heiligen Geist, auch wenn das in unserer digitalen Zeit seltsam klingt.» Damit kann Michael Meier wenig anfangen. Für ihn ist der Heilige Geist «ein grosser Gleichmacher» und eine «Worthülse».


«Diese Reformen kommen nicht»

Ein Gast fragt: «Könnte man nicht sagen, dass Franziskus klug den Boden vorbereitet hat, dass es doch irgendwann mal zu Reformen kommt?» Michael Meier dazu: «Es gibt Stimmen, die sagen: Es braucht zwei oder drei Päpste wie Franziskus, dann haben wir Reformen. Daran glaube ich aber nicht. Es muss nur schon ein afrikanischer Papst folgen, der wieder mehr Ordnung und Disziplin einfordert.»

Manchmal, so Michael Meier, fühle er sich wie ein «Advocatus Diaboli», «der den Leuten die Zuversicht nimmt, dass in ihrer Kirche etwas passiert.» Er verstehe, dass Leute, die in der Kirche arbeiten, gerne einen Papst hätten, der die Kirche gesellschaftlich anschlussfähig mache. «Aber», schiebt Michael Meier nach, «es ist nicht der Job der Journalisten, den Leuten Sand in die Augen zu streuen.» Für ihn gibt es unter diesem Papst keine der erhofften Reformen.



Mehr zum Thema:
Eisbrecher und Zauderer. Michael Meier stellt sein neues Buch vor. «pfarrblatt», 15.4.24

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