Leiten gemeinsam den Pastoralraum Seeland: Petra und Thomas Leist. Foto: Pia Neuenschwander

«Für manche galten wir anfangs als eins»

Petra und Thomas Leist leiten als Ehepaar den Pastoralraum Seeland

Sie kann gut planen, er übernimmt spontane nächtliche Notfalleinsätze. Wie Petra und Thomas Leist als Ehepaar gemeinsam den Pastoralraum Seeland leiten.

Interview: Sylvia Stam

«pfarrblatt»: Sie leiten als Ehepaar einen Pastoralraum. Worüber sprechen Sie beim gemeinsamen z’Nacht?

Petra Leist: Meistens über die Arbeit, obschon wir uns vorgenommen hatten, das nicht zu tun. Wir tauschen Informationen aus oder diskutieren darüber, wie wir ein bestimmtes Ziel am besten erreichen. Zum Glück mischt sich Xivia, unsere Bernhardinerhündin, manchmal ein.

Gibt es zwischen Ihnen eine klare Aufgabenteilung?

Thomas Leist: Es gibt vor allem eine Aufteilung in unseren Fähigkeiten: Alles, was längerfristige Planung braucht wie zum Beispiel Taufen, liegt bei Petra. Sie kann auch hervorragend andere Leute ins Boot holen und in den Gottesdienst integrieren. Ich wiederum war lange in der Notfallseelsorge tätig und kann problemlos spontan nachts um zwei Uhr einen Einsatz übernehmen. Kurzfristigere Themen wie Beerdigungen sind daher bei mir.


Sie haben drei Jahre gemeinsam die Pfarrei Herrliberg geleitet, davor 22 Jahre den Pastoralraum Birmensdorf. Warum machen Sie das gemeinsam?

PL: Man kann Aufgaben, die einem nicht so liegen, abgeben und ist dadurch kraftvoll und frisch bei der Sache. In IT-Fragen ist Thomas zum Beispiel viel schneller, und ich nerve mich nicht unnötig darüber. Dafür kann ich mich dann längere Zeit mit einem Konzept beschäftigen. Für Sitzungen müssen wir nicht alle «Dossiers» gleichzeitig parat haben, und als Leitungspaar können wir «an zwei Orten gleichzeitig» sein, wo eine Einzelperson zwei Termine hintereinanderlegen müsste.

Sie waren das erste Ehepaar im Bistum Chur, das gemeinsam eine Missio erhielt.

PL: Wir hatten damals ein wenig das missionarische Gefühl, Klischees aufzubrechen: Wir als Mann und Frau sind genau gleich alt, haben die gleiche Ausbildung, das gleiche Pensum und man kann Leitung teilen. Zu Beginn war es tatsächlich so, dass ich in eine Männergesellschaft kam, in Männerpositionen. Eine Frau in der Gemeindeleitung war ungewöhnlich. Hier ist das kein Thema mehr. Egal, in welche Kirche wir kommen, es kommt nicht darauf an, ob da vorne ein Mann oder eine Frau steht. Das hat sicher auch mit der veränderten Gesellschaft zu tun.

Was ist einfacher, wenn man sich eine Pfarrei- oder Pastoralraumleitung teilt?

TL: Es ist toll, eine Partnerin zu haben, die die Situation kennt und dadurch perfekte Supervision auf neue Ideen bieten kann. Wenn es mal Reibereien mit jemandem geben sollte, dann hat die Person die Möglichkeit, über Petra vielleicht weiterzukommen.

PL: Die Terminplanung ist einfacher. Wenn wir jeweils in einer anderen Pfarrei unterwegs wären, hätten wir noch mehr Koordinationsschwierigkeiten.


Und wo sind Knackpunkte?

PL: Für manche Pfarreimitglieder galten wir anfangs als eins. Wenn sie einem von uns etwas gesagt hatten, gingen sie davon aus, wir wüssten das automatisch beide. Es kam vor, dass ich gerügt wurde für etwas, was Thomas gesagt hatte oder umgekehrt. Inzwischen wissen die Leute, wer wofür zuständig ist. Auch wir selbst haben etwas Übung gebraucht, bis wir uns über die Zuständigkeiten im Klaren waren. Wenn zum Beispiel eine Taufanfrage zu Thomas kam, war die Versuchung gross zu sagen: «Ja, Petra macht das» und umgekehrt.

Sind Sie zu je 50 Prozent angestellt. Haben Sie daneben ein weiteres Einkommen?

TL: Es war uns immer wichtig, neben der Pfarreiarbeit noch einer anderen Tätigkeit nachzugehen, um mit anderen Menschen zusammenzukommen. Das empfinden wir als bereichernd. Unsere aktuelle Stelle ist allerdings «eine grosse Kiste», daher möchten wir die ersten zwei Jahre bei zweimal 50 % bleiben. Das bietet die Möglichkeit, falls einer unserer Seelsorger ausfällt, kurzfristig einzuspringen. Danach können wir uns durchaus vorstellen, Zusatztätigkeiten zu übernehmen.

Wieviel Zeit bleibt Ihnen füreinander als Paar?

TL: Selbst wenn unsere Pensen zusammen mehr als 100% ergeben, so sind es doch keine 200%. An vielen Tagen sind wir beide da und entsprechend auch beide weg. Das bietet Möglichkeiten.

PL: Die Abgrenzung zum Privatleben ist nicht immer leicht, da wir auch noch ein paar «Kirchenhobbys» haben, also ehrenamtliche Tätigkeiten im Raum der Kirche. Wenn ein Partner einen anderen Lebenshorizont hätte, würde er oder sie vielleicht eher sagen: «Jetzt ist mal Privatzeit». Der Hund hilft natürlich, sie fordert ihre Zeit, ihren Spaziergang, ihre Streicheleinheiten, medizinische Versorgung. Das können wir dann nicht verschieben.

Vor kurzem wurde in Ins ein neues Pfarreizentrum eingeweiht. Gleichzeitig verliert die Kirche massiv Mitglieder. Für wen ist das Pfarreizentrum?

TL: Wir müssen tatsächlich die Grundfrage von Jesus – «Was kann ich dir tun?» – neu stellen. Das ganz ergebnisoffen fragen und dafür Räume schaffen. Wir haben nicht die Kirche für sehr viel Geld vergrössert, sondern Räume geschaffen, die in vielerlei Hinsicht genutzt werden können; in, am Rande oder ausserhalb der Kirche. Das ist meines Erachtens zukunftsweisend.

PL: Ein eigener Raum ermöglicht eine innere Beziehung zu einem Ort; aber auch praktisch gesehen längerfristige Installation von Themen, was man als Gast irgendwo nicht kann.


Wie sehen Sie die Zukunft Ihres Pastoralraums?

TL: Der Personalmangel wird uns natürlich beschäftigen. In rund zehn Jahren wird unser fünfköpfiges Seelsorgeteam pensioniert sein. Wir haben also zehn Jahre Zeit, eine Pfarrei dazu zu bringen, dass sie ganz vieles allein kann.

PL: Es wird darum gehen, die Mitverantwortung der Gläubigen zu stärken, etwa in der Katechese zu schauen, wie Bildung und Liturgie weitergehen können.

Die Gläubigen werden also befähigt, selbst Gottesdienste durchzuführen?

TL: Wir gehen von Lektor:innengruppen aus, die eine gewisse Affinität zur Liturgie mitbringen und bestenfalls auch schon Kurse zur Lektor:in, zur Kommunionhelfer:in besucht haben. Oft ist es so, dass sie sich nicht trauen, vor Leute hinzustehen. Hier können wir Handreichung bieten: Miteinander Gottesdienste feiern, in denen sie einen Part übernehmen, ein Predigtwort oder eine Glaubensüberzeugung aussprechen. Das sind einzelne Schritte, bei denen man merkt: Es funktioniert und es wird auch von der Pfarrei akzeptiert.

PL: Wichtig ist, dies als zusätzliche Bereicherung wahrzunehmen und nicht als Notfallplan für den Fall, dass etwas ausfällt.

In Ihrem PR stehen fünf katholischen Seelsorger:innen 78 reformierte Kolleg:innen gegenüber. Wie leben Sie Ökumene?

TL: Hier in Lyss ist die Ökumene noch breiter, als wir sie je kannten, weil die evangelisch-methodistische Kirche und zwei Freikirchen auch dazu gehören. Wir feiern gemeinsam Gottesdienst. Obwohl wir der Juniorpartner der reformierten Landeskirche sind, begegnet man uns auf Augenhöhe: Sehr wertschätzend und einladend.

Was ist für den PR Seeland für die Zukunft wichtig?

PL: Die Bewahrung der Schöpfung ist hier wie überall auf der Welt wichtig. Ich habe mich sehr gefreut, dass die Kirchgemeinde Seeland von sich aus spontan für Solarenergie und Erdwärme bei der Renovation Lyss votiert hat.


Wenn Sie einen Werbespot für Ihren Beruf machen müssten, wie würde der lauten?

TL: Die unendliche Vielfalt: Kommenden Sonntag haben wir zwei Taufen, kurz darauf eine Beerdigung, eine Hochzeit. Alle Facetten des Lebens begleiten zu dürfen, Freude und Leid, das ist total faszinierend.

PL: Es macht Freude und es hat Sinn. Ich finde es eindrücklich, was in der Kirchen- und Kunstgeschichte alles an Genialität und Engagement zu finden ist. In dieser Tradition zu stehen, in einer grossen Gemeinschaft zu stehen, das ist toll.

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