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Es reicht.

Kolumne aus der Inselspitalseelsorge

Sie ist eine starke Frau: «Gwärchegi Häng» im eigenen Bauernbetrieb, als Freiwillige bei den Samaritern. Vier halbwüchsige Kinder. Engagiert in der Freikirche. Die alten Schwiegereltern umsorgend. Zugleich Finanz-, Innen- und Aussenministerin der Familie. Voller Einsatz! Und nun wegen einem dummen Sturz beim Heuen im Spital.

Gebunden ans Bett und zur Untätigkeit verdammt überwältigt sie eine grosse Erschöpfung, als ob sich all die Jahre der Verausgabung auf einmal rächen wollten. Verzweifelt und unglaublich müde treffe ich sie an. Sie werde das alles nicht mehr stemmen können. Sie kennt sich gar nicht mehr.

Vom Spitalpfarrer erwartet sie mehr als Empathie und Zuhören, soviel Kraft hat sie noch, um dies kundzutun. Ein aufrichtendes Wort aus der Schrift wäre ihr jetzt lieb.

Nach einer Bedenkzeit erzähle ich vom Propheten Elia. Ein starker Mann, eifrig, im vollen Einsatz für die gute Sache, einer, der es besser machen will als die anderen. Auch ihn ereilt- auf dem Höhepunkt seiner Kraft – eine Erschöpfung. Er kennt sich gar nicht mehr.

Er setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich den Tod, und er sprach: Es ist genug, Gott, nimm nun mein Leben, denn ich bin nicht besser als meine Vorfahren.

Alles geben! – alles so gut wie möglich machen –, um dann zu erkennen: dass man nicht besser ist als andere. Vernichtend. Aber vielleicht auch der Anfang einer Einsicht, gar Befreiung? Wer erwartet denn, dass du immer alles gibst? Dass du es besser machst als die anderen? Wessen Stimme ist das?

Gott lässt Elia nicht im Stich. Er schickt einen Engel zu ihm. Der Engel bringt Elia frisches kaltes Wasser und duftendes, noch warmes Brot. Er kritisiert nicht, belehrt nicht. Elia isst und trinkt – und dann lässt ihn der Engel lange schlafen. Gestärkt kann sich Elia später auf seinen weiteren Weg machen.

Die himmlische Stimme klingt offenbar anders als unsere eigenen Erwartungen an uns. Iss und trink und schlaf. Und dann geh mit Gottes Segen weiter. Das reicht.

Die Frau lächelt müde. So einfach sei es wohl nicht. Aber ja, etwas davon wolle sie sich zu Herzen nehmen. «Das reicht», meine ich.
Jetzt lächeln wir beide.

Die Geschichte von Elia findet sich im 1. Buch der Könige, Kapitel 19.

Kaspar Junker, Seelsorger im Inselspital

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