Der Papst beim Schlussgottesdienst der ersten Etappe der Weltsynode im Oktober 2023. Foto: Reuters, Yara Nardi

Die Weltsynode lebt – wenn der Papst ihre Beschlüsse respektiert

Das Arbeitsdokument für die finale Runde der Weltsynode liegt nun vor. Es könnte eine echte Chance für Reformen sein, analysiert Francesco Papagni.

Im Oktober geht die Weltsynode in die finale Runde. Nun liegt das Arbeitsdokument vor. Trotz aller Unkenrufe ist die Synode eine echte Chance für Reformen, schreibt Francesco Papagni in seiner Analyse.

Francesco Papagni*

Abenteuer sind risikoreiche Erfahrungen, deren Ausgang nicht vorhersehbar sind. Das nun veröffentlichte Arbeitsdokument für die Herbstsession der Weltsynode mit dem Titel «Wie wir eine missionarisch-synodale Kirche sein können», sagt: «Dieses Abenteuer beginnt mit dem Hören des Wortes Gottes». Das Zitat lässt sich gut auf den synodalen Prozess insgesamt übertragen.

Es war mutig von Papst Franziskus, diesen weltweiten, über mehrere Jahre dauernden Prozess anzustossen. Niemand kann heute genau vorhersagen, was am Ende dabei herauskommt – obwohl es nicht an Kassandras fehlt, die das Ganze jetzt schon als gescheitert betrachten.

Synodalität ist eine Praxis

Aber was heisst Synodalität überhaupt? Synoden gab es in der Kirchengeschichte viele. In den Schweizer Kantonen mit dualem System gibt es Kirchenparlamente, die sich Synoden nennen. In der Kirche als Ganzes sind damit Bischofsversammlungen gemeint. Auch die Weltsynode ist eine solche Bischofsversammlung. Aber nicht nur. Denn in Rom wirken Ordensleute und Laien beiderlei Geschlechts mit.

Wie das «instrumentum laboris», wie das eingangs erwähnte Dokument auf Lateinisch heisst, präzisiert, geht es bei der Synode um das Einander-Zuzuhören. Und dabei auf den Heiligen Geist, «den eigentlichen Protagonisten der Synode» zu hören. Synodalität ist keine Methode, keine Arbeitstechnik, sie soll eine Praxis sein. Voraussetzung dafür aber ist die Anerkennung aller Beteiligten.


Frauen sind kraft der Taufe gleichberechtigt

Das ist alles andere als trivial. Das Dokument fordert Bischöfe auf, Frauen ohne Kirchenamt, die aber etwas zu sagen haben, anzuerkennen und anzuhören. Die theologische Begründung dafür wird gleich mitgeliefert: «Gott hat bestimmte Frauen dazu auserwählt, erste Zeuginnen und Verkünderinnen der Auferstehung zu sein. Kraft der Taufe sind sie vollkommen gleichberechtigt, erhalten die gleiche Ausgiessung der Gaben des Geistes und sind zum Dienst an der Sendung Christi berufen.»

Solche Aussagen mögen in einem Dokument der Weltkirche einige erstaunen. Allerdings gilt zu bedenken, dass dem Arbeitsdokument keine lehramtliche Autorität zukommt. Und Frauen, beziehungsweise Laien und Laiinnen, werden darin auch nicht als den Bischof gleichrangig betrachtet. Heisst es doch weiter: «Synodalität bedeutet keineswegs die Abwertung der besonderen Autorität und der spezifischen Aufgabe, die Christus selbst den Hirten anvertraut (…)»

Die Sehnsucht nach einem wirklichen Aufbruch

Diese Beschränkung auf Worte mag andere enttäuschen, die sich von der Synode konkrete Reformen in der Zölibatsfrage und in der Frauenweihe erhofft haben. Wer das Dokument liest, entdeckt nichtsdestotrotz Erstaunliches. Zunächst sind der Wille und auch die Sehnsucht nach einem wirklichen Aufbruch spürbar, nach einem Miteinander-Kirche-sein, das noch nie so deutlich formuliert wurde.

In diesem Aufbruch sind alle aufgerufen, das eigene Zeugnis, die eigene Stimme einzubringen. Dies fordert speziell den Bischöfen, die es gewohnt sind, einsame Entscheidungen zu treffen, einiges ab. Kritiker:innen der Weltsynode bemängeln hingegen: Es gehe um Konsultation, nicht um Entscheidung.

Aber: bereits die echte Anhörung von Laien und Laiinnen in der Entscheidungsbildung wäre ein immenser Fortschritt in der klerikalen Kirche. Würde tatsächlich eine synodale Entscheidungsbildung Wirklichkeit, es würde sich unweigerlich auf die Entscheidungen selbst auswirken.

Laien sollen das Taufsakrament spenden können

Bemerkenswert ist auch die Bildung von Arbeitsgruppen, die Veränderungen am Kirchenrecht vorbereiten sollen. Das Kirchenrecht ist das Skelett der Kirche. Wenn eine solche Arbeitsgruppe eingerichtet wird, heisst das, dass reale Veränderungen möglich und angestrebt werden. Und diese sind im vorliegenden Dokument durchaus angedeutet: Geeigneten Laien soll die ständige Beauftragung für Taufe und Hochzeitassistenz erteilt werden. Das würde bedeuten, dass Laien ordentlich das Sakrament der Taufe spenden könnten. In Notfällen können sie es schon heute, aber eine solche Veränderung würde die Aufgabenteilung zwischen Geweihten und Nicht-Geweihten verändern und damit in den Aufbau der Kirche eingreifen.


Rechenschaftspflicht aller

Noch bemerkenswerter ist die Forderung nach Transparenz und Rechenschaftspflicht aller allen gegenüber: «Während die Praxis der Rechenschaftspflicht gegenüber den Vorgesetzten über die Jahrhunderte hinweg beibehalten wurde, ist die Dimension der Rechenschaftspflicht der Autoritätspersonen gegenüber der Gemeinschaft wiederherzustellen», heisst es. Dabei sei es Sache der Ortskirchen, also nicht der Kurie «Formen und Verfahren der Transparenz und der Rechenschaftspflicht zu entwickeln».

Angedacht ist im vorliegenden Dokument nichts weniger als eine andere, eine geschwisterliche Kirche. Ohne einen echten Kulturwandel, ohne die Überwindung des immer noch bestehenden Klerikalismus ist dieses hehre Ziel nicht zu erreichen – auch das sagt der Text.

Allerdings sind bestimmte Fragen, wie die von der Schweizer Delegation geforderte Weihe der Frau, nicht Gegenstand der Herbstsynode. Diese hat der Papst im Vorfeld an zehn Arbeitsgruppen delegiert, die bis zum Frühling 2025 weiterarbeiten sollen.

Und vielleicht ist diese Entscheidung gar nicht unklug, da es über diesen Punkt in der Weltkirche keine Einigung gibt. Auch das sagt der Text unverhohlen: «Während einige Ortskirchen für die Zulassung von Frauen zum diakonischen Dienst plädieren, bekräftigen andere ihre Ablehnung.»

Die Kirche lebt in verschiedenen Zeitzonen

An dieser Frage zeigt sich, dass die Kirche in verschiedenen Zeitzonen lebt: Themen, die für uns in der Schweiz und Westeuropa dringlich sind, sind es auf anderen Kontinenten nicht. Und umgekehrt. Die Lösung kann nur darin bestehen, dass den Ortskirchen mehr Autonomie zugebilligt wird.

Es ist unmöglich, alles von Rom aus lenken zu wollen. Das hat sich kürzlich auch an bei einem anderem Thema gezeigt: Einige Bischofskonferenzen werden die Segnung homosexueller Paare nicht erlauben, Rom hin oder her.

Der synodale Prozess, der jetzt vielerorts auch auf diözesaner Ebene einsetzt, ist ein Abenteuer. Dass die katholische Kirche sich auf ein solches einlässt, ist bemerkenswert. Ambivalent ist dabei die Rolle von Papst Franziskus: Einerseits ist er der grosse Ermutiger, andererseits kann er auch autoritär bestimmte Entscheidungen blockieren. So wie er es nach der Amazonassynode gemacht hat, als er der Bereitschaft  dortiger Bischöfe, bewährte Frauen und Männer zu weihen, eine Absage erteilt hat.

Anspruch und Wirklichkeit müssen übereinstimmen

Wie schon bei der Amazonassynode behält sich der Papst das letzte Wort vor. Nimmt man aber die Aussage ernst, dass in der Synode der Heilige Geist zur Wirkung kommt, kann und darf es keinen Mittler geben.

Wenn der synodale Prozess auf Weltebene eine Chance haben soll, muss Franziskus akzeptieren, dass er die Resultate nicht von Fall zu Fall annehmen oder verwerfen kann. Auch für den Bischof von Rom gilt, was in dem Dokument allgemein über das Bischofsamt gesagt wird, dass es nämlich nicht «monarchistisch» verstanden werden darf. Sonst sind Anspruch und Wirklichkeit nicht in Deckung zu bringen.

Zum Arbeitsdokument auf deutsch geht es hier.


*Francesco Papagni ist Theologe und freier Journalist
 

Lesen Sie zum Thema auch die Serie «Hat Papst Franziskus die Kontrolle verloren?»

 

 

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