Roger Melliger von «Onkel Urs» lässt kein Tier schlachten, nur «um genug Filet zu haben». Foto: Pia Neuenschwander

«Die Tiere unserer Bauern leben wie anno dazumal»

Der Berner Quartierladen «Onkel Urs» setzt auf Bioprodukte aus dem Kanton Bern

Der Berner Quartierladen «Onkel Urs» setzt auf Bioprodukte aus dem Kanton Bern, von der Bauernbratwurst über Maulbeer-Eistee bis hin zu Griess in Grün oder Lila. Geschäftsgründer Roger Melliger im Gespräch über Nachhaltigkeit von «Nose to Tail».

Anouk Hiedl

Punkt 09.00 im Berner Sulgenbachquartier. Leise quietschend trifft ein Tram beim Halt «Beaumont» ein. Daneben fällt der Laden «Onkel Urs» ins Auge. Die Scheiben sind blitzblank. Auch im Innern glänzen Theke und Wandfliesen um die Wette. In Roger Melligers Gesicht geht die Sonne auf, wenn er über «Onkel Urs», seine «Metzg im Hoflade», spricht.

2021 hat der 39-jährige Koch diese mit Landwirtin Lisa Rothenbühler und Metzger und Jäger Marc Aeschlimann eröffnet. «Man findet hier allerlei wie in einem Tante-Emma-Laden», sagt Roger. «Für unser Geschäft haben wir ‹Onkel Urs› daraus gemacht. Unser Vorgänger Metzger Hulliger hat diesen Vornamen.»
 

Alle Söili und Hüehnli leben draussen im Gras, können Würmer fressen und nach Lust und Laune im Dreck wühlen – wie anno dazumal.


Zu Rogers Team gehören auch Markus und Samson, die beim Metzgen und Wursten helfen. Die Philosophie von «Onkel Urs» ist, ein Stück Land in die Stadt zu bringen und dem «anonymen Fleischessen» entgegenzuwirken. Roger Melliger kennt alle seine Produzent:innen persönlich. «Wir wissen, wie sie arbeiten und ihre Tiere halten. Alle Söili und Hüehnli leben draussen im Gras, können Würmer fressen und nach Lust und Laune im Dreck wühlen – wie anno dazumal.»

Vorurteile gegenüber der Fleischproduktion abbauen

Das Team will auch Vorurteile abbauen, die Städter:innen haben könnten. In TV-Dokumentationen würden oft Extreme wie enge Stallhaltung in Mastbetrieben oder der Einsatz von Hormonen in Tierfutter gezeigt. Vieles davon sei in der EU nicht erlaubt, und die Schweiz habe eines der schärfsten Tierschutzgesetze. Die Fleischlieferanten von «Onkel Urs» haben die Schlachterei alle in der Nähe des Hofs. So werden die Tiere nicht auf einen langen Transport «per Riesencamion» geschickt, sondern der Bauer begleitet sie zum Metzger, damit sie dort sicherer und ruhiger sind.

Roger Melliger kennt keinen, «der keine Träne vergiesst, wenn er eines seiner Tiere zum Schlachten bringt». Für Fleisch arbeiten er und sein Team ohne Zwischenhändler mit vier Höfen und bezahlen «ihren» Bauern den Marktpreis für Biofleisch. Im Laden gibt es ausschliesslich Bio-Produkte. Bananen oder Avocados findet man keine, denn alles stammt aus dem Kanton Bern.

Auch bei Früchten und Gemüse setzt «Onkel Urs» ein Gegengewicht zu Grossverteilern, welche die Bauern mitunter auf ganzen Gemüseladungen sitzen lassen, selbst wenn nur ein kleiner Teil davon «Näcki» aufweist. Das Team von «Onkel Urs» kennt seine Vegi-Produzent:innen ebenfalls oder hat sie empfohlen bekommen. Manche stellen sich direkt im Laden vor, und wenn es passt, «nehmen wir ihr Produkt auf, zum Beispiel Bouillon aus krummem Gemüse», sagt Roger.


Nachhaltigkeit ist kein leeres Wort

Die Kundschaft lässt an diesem Vormittag nicht lange auf sich warten. Pouletbrüstli und Mirabellen gehen mehrmals über den Ladentisch, ein Herr kauft alle vorrätigen Vanillequarks, und eine Frau möchte heute mal die gesamte Wurst durchprobieren. Roger Melliger schneidet ihr das Gewünschte zu und erklärt, dass er kein Tier schlachte, um genug Filet zu haben.

Nachhaltigkeit ist bei «Onkel Urs» kein leeres Wort. Was die menschliche Kundschaft nicht isst, wird zu Hundefutter verarbeitet. «Wir brauchen immer alles, Nose to Tail.» Hinter dem Laden befinden sich der Kühlraum und die Wursterei. Dort hängt gerade ein ganzes Reh, das bald gehäutet wird. Aus dem schwarzen Plastiksack am Boden schaut das Vorderbein eines Schafs hervor. Auch dieses wird von Kopf bis Fuss verwertet.

Das Angebot bei «Onkel Urs» ist saisonal. Im Frühling gibt’s Rhabarberjoghurt, im Herbst Zwetschgenquark oder Lamm und Wild, letzteres von Co-Chef Marc Aeschlimann persönlich geschossen. Gebäck findet man hier ausschliesslich im Winter – immer dann, wenn die Weihnachtsgüetzi wieder Saison haben. Roger mag die Kirschjoghurts aus Koppigen am liebsten. Auch eine Bauernbratwurst sei «immer wieder etwas Feines». Sagt’s und begrüsst die neu eintretende Kundschaft mit Namen.
 

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www.onkelurs.com und www.instagram.com/pfarrblattbern

 

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