Zwei Polizisten patrouillieren auf der Bundesterrasse in Bern. Foto: Anthony Anex, Keystone

Dialog statt Diskriminierung

Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei Bern, im Gespräch

Racial Profiling – (k)ein Thema im Kanton Bern? Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei Bern, über kulturelle Missverständnisse, polizeiliche Personenkontrollen und alltägliches Training in Perspektivenwechsel.

Anouk Hiedl

«Wir gehen nicht einfach raus, um Personen systematisch zu kontrollieren», sagt Manuel Willi, Regionalleiter der Berner Kantonspolizei. Die Voraussetzungen für Personenkontrollen seien gesetzlich klar geregelt. Es brauche ein «eindeutiges Signalement», das heisst, eine Personenbeschreibung oder ein verdächtiges Verhalten.

Racial Profiling, Personenkontrollen allein aufgrund der Hautfarbe oder vermuteten Herkunft, verstosse gegen das Diskriminierungsverbot und dürfe nicht vorkommen, hält Manuel Willi fest. In der Ausbildung werden Berner Polizist:innen geschult, Personen nicht aufgrund bestimmter subjektiver Merkmale zu kontrollieren, und darin bestärkt, ihre interkulturellen Kompetenzen auszubauen.

Als sich vor zwölf Jahren Beschwerden über Polizeikontrollen von People of Color häuften, startete die Beratungsstelle «gggfon» (siehe Kasten) mit dem «Swiss African Forum» und der Kantonspolizei Bern das Projekt «Dialog» zu Racial Profiling. Seither werden gemäss Giorgio Andreoli, dem Leiter von «gggfon», gemeinsame Anlässe und Auftritte bei Kulturfesten organisiert. Zudem besuchte die Kantonspolizei mit «Swiss African Forum» und «gggfon» die diversen Communitys und Asylzentren, um Vorurteile und Missverständnisse abzubauen und Probleme anzusprechen. Manuel Willi hat dabei erfahren, dass Menschen aus repressiven Ländern manchmal meinen, polizeiliche Personenkontrollen seien in der «geordneten» Schweiz nicht erlaubt.

Ein Flyer der drei Organisationen informiert über die Rechte und Pflichten bei polizeilichen Personenkontrollen. Wer angehalten wird, muss die eigene Identität bekanntgeben und den polizeilichen Anweisungen Folge leisten. Die Polizei ihrerseits muss einen individuellen konkreten Anhaltspunkt haben, dass sich die betroffene Person strafbar gemacht hat oder die öffentliche Sicherheit gefährdet. «Eine Anhaltung ist für alle Beteiligten unangenehm und erregt öffentliches Aufsehen», sagt Manuel Willi. «Personenkontrollen sollen deshalb immer so diskret wie möglich erfolgen.»

Seit 2017 gehen im Schnitt jährlich drei Beschwerden zu Racial Profiling direkt bei der Kantonspolizei ein. Einige Betroffene hätten Angst vor der Polizei oder seien nicht zu Gesprächen bereit, sagt Manuel Willi. Bei «gggfon» gehen pro Jahr zwischen 12 und 20 Meldungen zu Racial Profiling ein. Die Hemmschwelle, mit den Beteiligten darüber zu sprechen, werde über eine Anlaufstelle wie «gggfon» tiefer, sagt Giorgio Andreoli. Seit fünf Jahren besteht das Angebot, auf Wunsch der meldenden Personen in Anwesenheit von «gggfon» Gespräche mit der Kantonspolizei Bern zu führen. Anhand dieser lassen sich Erkenntnisse über Racial Profiling bei der Polizeiarbeit gewinnen. Die Kantonspolizei schätze diese Gespräche, die für die interne Schulung und Reflexion wichtig seien.

Passieren bei der Polizei Fehler, können Betroffene vorverurteilt werden, was das mediale Interesse weckt. «Das steht in keinem Vergleich zu Fehlern in Büro- oder Handwerksbetrieben», hält Manuel Willi fest. Deshalb finde nach Polizeieinsätzen generell ein Debriefing für Rückblicke und Verbesserungen statt. «Meldungen zu Racial Profiling nehmen wir sehr ernst.»

Könne man Racial Profiling nicht ausschliessen, werde die Beschwerde der Justiz zur unabhängigen Beurteilung überwiesen. Bisher kam es dabei im Kanton Bern zu keiner Verurteilung.

«Egal, wem man gegenübersteht, es ist wichtig, sich ins Gegenüber versetzen zu können», sagt Manuel Willi. «Dazu trainieren wir, die Perspektive zu wechseln, und sensibilisieren unsere Leute darauf, dies auch im Alltag zu tun.» Manuel Willi sieht beruflich auch viel Negatives. Statistisch betrachtet sei der kriminelle Bevölkerungsanteil, mit dem die Polizei zu tun habe, aber sehr klein. Die Chancen der Einzelnen seien sehr ungleich. «Warum es bis zu Delikten kommt, lässt sich nicht beurteilen, ohne den Hintergrund zu kennen.»
 

gggfon – Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus
Seit 24 Jahren hilft die Informations- und Beratungsstelle «gggfon» bei rassistischer Diskriminierung, Gewalt im öffentlichen Raum und Rechtsextremismus weiter.
Weitere Infos: www.gggfon.ch, 031 333 33 40, melde@gggfon.ch.

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