Daniel Kosch war von 2001 bis 2022 RKZ-Generalsekretär. Foto: zVg

Daniel Kosch: «Es ist unfair von Frauen zu erwarten, den Spielregeln einer Männerkirche zu folgen»

Daniel Kosch hat Verständnis für den Frust ausbleibender Kirchenreformen.

Der frühere RKZ-Generalsekretär versteht den Frust über ausbleibende Kirchenreformen. Von der Weltsynode erhofft er positive Entwicklungen. Von den Synodalen und Bischöfen fordert Kosch, den «Konservativen mutig Einhalt zu gebieten».

Annalena Müller

«pfarrblatt»: Im Oktober geht die «Weltsynode» in die zweite und finale Runde. Beim Besuch von Kardinal Grech in Bern wurde deutlich – Rom und Basis sind sich fremd. Warum ist die Synode so schwer vermittelbar?

Daniel Kosch: «Synode» heisst wörtlich «gemeinsamer Weg». Dass wir in der Kirche «gemeinsam unterwegs» sind, klingt einerseits selbstverständlich, ja banal. Anderseits ist es kompliziert, weil sich sofort die Frage einstellt, was denn «miteinander» konkret heisst, wenn demokratische Schweizerinnen mit hierarchischen Römern zusammentreffen. Oder wenn fortschrittliche Befürworter einer kirchlichen «Ehe für alle» sich mit Vertreterinnen der traditionellen Geschlechterordnung verständigen sollen.

Genau - was heisst «miteinander» konkret?

Kosch: Arnd Bünker, Leiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI), braucht dafür den Begriff «enttäuschungsfestes Vorschussvertrauen». Es gilt, so offen wie möglich im Dialog zu bleiben, auch wenn man meint, die Trägheit des Systems und die festgefahrenen Diskussionen nicht mehr aushalten zu können. Das geht aber nur, wenn beide Seiten dazu bereit sind.


Warum sollte sich die demokratische Schweizer Basis trotz allem für die römische Weltsynode interessieren?

Kosch: Das Projekt einer synodalen Kirche ist in der katholischen Welt derzeit das einzige Reformvorhaben, an dem sich viele beteiligen. Und zwar auf allen Kontinenten, an der Basis und in der Hierarchie, Fortschrittliche und Bewahrende. Dass konservative Kräfte versuchen, der Synodalität möglichst viele Steine in den Weg zu legen, ist ein Zeichen dafür, dass das Projekt durchaus Sprengkraft hat. Zudem gibt es gute theologische Argumente für eine demokratische Synodalität. Sie hat das Potenzial, Kirche und Gesellschaft miteinander ins Gespräch zu bringen. Und sie kann dort Brücken bauen, wo heute wachsende Entfremdung das Bild dominiert.

Bereits die Synode 72 hat über Ämterzugang, Diversität, Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion etc. diskutiert. Auch 50 Jahre später wird die Weltsynode diese Fragen nicht angehen. Papst Franziskus hat die besonders umstrittenen Themen – inklusive Frauen und Diversität - in Arbeitsgruppen ausgelagert. Belügt man sich nicht selbst, wenn man von der Synode Reformen erwartet?

Kosch: Ich verstehe den Frust und ich teile ihn auch. Es ist paradox und unfair zu erwarten, dass Frauen und diverse Menschen sich erst wirklich gleichberechtigt an der Diskussion über neue «Spielregeln» für das Miteinander in der Kirche beteiligen sollen, nachdem eine männerdominierte Kirche diese Spielregeln festgelegt hat.

Aber ich muss akzeptieren, dass längst nicht alle in der Weltkirche das als unfair ansehen. Es führt daher kein Weg daran vorbei, Schritte zu gehen, wo Sprünge unmöglich sind. Wir müssen die vorhandenen Spielräume bis an die Grenzen ausdehnen, solange die alten Gesetze in Kraft sind.

Das klingt jetzt nach Kirche an der Hierarchie vorbei machen…

Kosch: … oder mit der Hierarchie zusammen. Denn die bischöflichen Synodalen haben oder hätten es in der Hand, sich laut und deutlich dafür einzusetzen, dass diese Fragen aufs Tapet kommen, auch wenn sie nicht auf der offiziellen Traktandenliste stehen.


Welche Reformen können Ihrer Meinung in Rom angestossen werden?

Kosch: Das Anfang Juli veröffentlichte Arbeitsdokument für die Synode im Oktober 2024 zeigt, dass die verbindliche Mitbeteiligung an Entscheidungen, Transparenz und Rechenschaftspflicht der Amtsträger Themen sein werden. Auch die Verlagerung von Entscheidungen hin zu den nationalen Bischofskonferenzen und ein mehr netzwerkartiges als pyramidal-hierarchisches Kirchenverständnis stehen auf der Agenda.

Wenn die reformorientierten Bischöfe und die stimmberechtigten Frauen und Männer sich klar positionieren, auf konkrete Veränderungen statt auf schöne Formulierungen hinarbeiten und den Machtspielen konservativer Bischöfe mutig Einhalt zu gebieten, dann kann von der Synode der Anstoss ausgehen, Strukturen und Entscheidungsmechanismen zu verändern.

Und in der Frauenfrage?

Kosch: In der Frage des Amtsverständnisses und der Zulassungsbedingungen erwarte ich derzeit keine grossen Schritte. Damit werden das Weiheamt und seine Träger hierzulande weiter an Rückhalt und an öffentlichem Ansehen verlieren. Offenbar sind viele Amtsträger auch hierzulande bereit, die damit verbundene Beschädigung der Kirche in Kauf zu nehmen.

Was erhoffen Sie sich für die Kirche Schweiz von der Synode?

Kosch: Wie überall auf der Welt ist die Kirche auch in der Schweiz nur dann lebendig und glaubwürdig, wenn sich möglichst viele verschiedene Menschen, Gruppen, Projekte und Ideen unter ihrem Dach Platz finden. Und wenn sie sich dafür einsetzen, dass konkret Gestalt annimmt, was für Jesus wichtig war: Hoffnung in bedrohlicher Zeit, Solidarität mit jenen, die es allein nicht schaffen, Vertrauen darauf, dass die Liebe stärker ist als der Tod. Aber das lässt sich nicht an Kirchenprofis delegieren – es muss miteinander errungen werden.

Geht es etwas konkreter?

Kosch: Das Kirchenwort dafür lautet Synodalität: Mit Vorschussvertrauen möglichst zuversichtlich miteinander auf dem Weg sein. Und auch dann auf diesem Weg bleiben, wenn er mühsam ist und das Ziel in weiter Ferne liegt. Die Weltsynode wird hoffentlich einige Steinbrocken aus dem Weg räumen. Den synodalen Weg vor Ort suchen und gehen müssen wir allerdings selbst.

 

Daniel Kosch (65) war von 2001 bis 2022 Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ). In dieser Zeit hat er die Schweizer Kirche und ihr duales System geprägt. Der promovierte Theologe und Finanzexperte ist von Synodalität überzeugt.
2023 erschien sein Buch «Synodal und demokratisch. Katholische Kirchenreform in schweizerischen Kirchenstrukturen» im Verlag Edition Exodus.

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