«The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)» ist das 12. Studioalbum des Detroiter Rappers Eminem. Foto: Plattencover

Antichrist und Luzifer: Eminem Album ist reich an christlichen Referenzen

In seinem neuen Album «The Death of Slim Shady» bedient sich Rapper Eminem religiöser Bilder. Nicht zum ersten Mal.

In seinem neuen Album «The Death of Slim Shady» bedient sich Rapper Eminem religiöser Bilder. Nicht zum ersten Mal.

Annalena Müller

Lange haben Fans auf das neue Album gewartet. «The Death of Slim Shady (Coup de Grâce)» ist das 12. Studioalbum des Detroiter Rappers. Stunden nach seiner Veröffentlichung bricht es Streamingrekorde.

Religiöse Referenzen

Eminem ist der erfolgreichste Rapper weltweit. Sein lyrisches und literarisches Können ist unbestritten. Der «Rap God» spielt mit Sprache wie kein anderer. Auch die Tracks des neuen Albums sind voller musikalischer, literarischer und – was überraschen mag – religiöser Referenzen.

Eminem wäre nicht Eminem, wenn seine religiösen Referenzen fromm wären. Und des Rappers Alter Ego, Slim Shady, wäre nicht Slim Shady, wenn er sich mit einem Geringeren als Luzifer zufriedengäbe.

Durchkonzipierte Kunstwerke

Wie so häufig bei Eminem kann man sich den Songs des Albums aus verschiedenen Perspektiven nähern. Ineinander verwoben findet man amoralisch-provokative, humoristisch-lyrische sowie literarisch-philosophische Momente. Eminems Alben sind bis zum Ende durchkonzipierte Kunstwerke.

Wie schon seine Vorgänger ist auch «The Death of Slim Shady» voller Referenzen an die grossen und kleinen Fragen des Lebens. Und an Eminems eigenes Werk, das ihm über die letzten 25 Jahre zahllose Preise eingebracht hat, darunter einen Oscar und einen Eintrag ins Oxford Dictionary, dem Duden der englischen Sprache, für die Wortneuschöpfung «stan».

Kampf Gut gegen Böse

Aber der Reihe nach. «The Death of Slim Shady» ist nach eigenem Bekunden ein Konzept-Album. Im Zentrum steht die Frage, was Kunst moralisch darf. Auf der Mehrheit der Tracks ringen Slim Shady – der ewig-pubertäre Anarcho – und Marshall Mathers – die bürgerliche Person hinter Eminem – miteinander. Es ist ein Kampf zwischen Gut und Böse, dem Antichristen (Slim Shady) und dem Menschen, der nach dem Guten strebt, aber korrumpierbar ist (Marshall Mathers). Ein urmenschliches und urchristliches Thema, sozusagen.

Vor einem Vierteljahrhundert geboren: Slim Shady machte den Rapper Eminem 1999 weltbekannt.

In den Songs «Antichrist», «Lucifer» und «Habits» schöpft Slim Shady aus dem Vollen. Beleidigt wird alles und jede:r . «Wokeness» und die «Political Correctness» sind seine erklärten Feindbilder. Den Inklusion versprechenden, rigiden Sprachregeln «der Gen Z» nimmt sich Slim Shady mit Genuss an, macht die Vielzahl der Pronomen und (sexuellen) Identitäten es ihm doch besonders leicht, Empörung zu generieren. Slim Shadys erklärtes Ziel: gecancelt zu werden.

Die Songs «Guilty Conscience 2» und «Houdini» themastieren das Dilemma, das sich aus Slim Shadys bösartigem Gebaren ergibt. Die Kunstfigur hat dem Rapper Eminem vor 25 Jahren Weltruhm gebracht.

Heute stört sich sein Schöpfer Marshall Mathers an dessen anarchischer Amoralität. Steht sie doch in einem zunehmenden Gegensatz zu den politischen und sozialkritischen Liedern des mittlerweile 51-jährigen Rappers.

Zwei Seelen in einer Brust

Aber Eminem setzt sich seit jeher aus beiden Personae zusammen: Slim und Marshall. Zwei Herzen schlagen in seiner Brust. Daraus ergibt sich für den gereiften Künstler ein Dilemma von Faust’schem Ausmass, welches er in «The Death of Slim Shady» thematisiert.

Marshall Mathers trifft auf sein Alter Ego – KI macht es möglich.

Kein «Faust» ohne «Gretchen-Frage». Wie halten es Eminem/Marshall/Slim nun mit der Religion? Die Antwort: Sehr unterschiedlich. Am eindeutigsten tritt die christliche Bildsprache des Bösen auf. So auch im aktuellen Album, auf dem Slim Shady mit den christlichen Personifikationen des Bösen, Luzifer und Antichrist, kokettiert.

Zentrale Motive: Tod und Erlösung

Aber christliche Themen sind im Gesamtwerk des Künstlers Marshall Mathers zentral. Der Tod – im Sinne eines memento mori – und die Sehnsucht nach Erlösung sind wiederkehrende Motive. Oft sind sie begleitet von der Idee, dass der Rapper nach seinem Tod als Schutzengel auf seine Töchter schaut. So auch im aktuellen Album in den Songs «Temporary» und «Somebody Save Me».

Übrigens, trotz des Album-Titels kommt in «The Death of Slim Shady» niemand zu Schaden. Für alle Fans des Antihelden Slim Shady: Dieser bleibt auch 25 Jahre nach seiner Erschaffung «ein Teil der Kraft, die das Böse will», aber dank Marshall Mathers, «stets das Gute schafft.»

 

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