Der Projektchor animierte mit theo-politischen und poetischen Liedern die Feier. - Foto: H. Schift

System change not climate change

DIE FEIER DER OSTERNACHT STAND UNTER DEM MOTTO DES ÖKUMENISCHEN TRIDUUMS: "JETZT IST DIE ZEIT!"

Die Predigt in der offenen katholischen Osternacht resümierte, inspiriert von Luzia Sutter Rehmann, Dick Boer, Fulbert Steffensky und Quinton Ceasar die Feier des ökumenischen Triduums 2024 "Jetzt ist die Zeit!":

Das waren gerade die letzten acht Verse der bemerkenswerten Jesusgeschichte des Evangelisten Markus. Vielleicht wundert ihr euch: Sie endet mit Furcht, Sprachlosigkeit, Erstarrung, unübersehbarem Schweigen – abrupt und fast verstörend. Kein Auferstehungsgetöse. Jesus ist tot. Zu Tode gebracht von der militärischen Übermacht der römischen Unterdrücker. Die Dämonen und Schatten des Todes und der Verwüstung sind nicht weg aus dem Land. Aber das Grab ist leer. Hier sind sie nicht. Als ob gesagt wird: Die Geschichte von Jesus Messias und die Sache Jesu überlässt Gott nicht der Verwesung. Und wir tun es auch nicht.

Das Schweigen im Erschrecken der letzten treuen Zeuginnen steht für eine Generation von schwergetroffenen Menschen, die Unsägliches erlebt haben. Es ist gerade dieses Erschrecken und Schweigen, das Raum für Unsagbares eröffnet – und für Neues. So meint es vielleicht der Text, wenn er die Frauen und später auch die Männer und Menschen (bis heute) auf den Weg schickt, den der Messias Jesus gegangen ist. Zurück nach Galiläa, wo seine Geschichte angefangen hat.
Zurück in einen Anfang, heißt das. Jetzt ist die Zeit! Weil Auferstehung nicht aus der Welt hinaus-, sondern in die Welt hineinführt.

Jetzt ist die Zeit! Das haben sich die Menschen vielleicht genauso gedacht, die den Text von Gottes guter Schöpfung aufgeschrieben haben. Einen Teil daraus haben wir eben gehört.
Menschen, die Jahrhunderte vor den Jesusleuten eine Erfahrung wie sie gemacht hatten: Sie hatten die erdrückend-tödliche Kriegsmacht der Chaldäer erlebt; sie saßen in Babylon fest, hatten nichts mehr. Nur noch die Welt der Mächtigen, nur noch deren Erzählungen, die den Menschen weismachen wollen, dass sie Mächten und Kräften ausgeliefert seien, denen sie nie und nimmer gewachsen sein werden.
Darum sollten sie sich den Herrschenden unterwerfen, die diese Mächte und Kräfte im Zaum halten. Ohne diese Herrscher, so wird eingeredet und Propaganda gemacht, bricht das Chaos aus, das Tohuwabohu, das berühmte Wort aus Genesis. Und sie sollen sich den Göttern oder dem Gott unterwerfen, der nach dem Bild der Herrscher oder der Bourgeoisie geformt ist – quasi deren Verlängerung in den Himmel.

Jetzt ist die Zeit! Da schreiben einige dieser Menschen eine Schöpfungsgeschichte auf, die eine Befreiungsgeschichte ist – eine Auferstehungsgeschichte, die ein Einspruch gegen die Erzählungen der Herrschenden ist.
Da kommen diese Menschen auf die Idee, dass diese Erde, auf der sie leben, im Grunde nicht chaotisch ist, sondern alles zu bieten hat, was Menschen brauchen, um menschenwürdig zu leben.
Es gibt kein Chaos, mit dem Menschen Angst eingejagt wird und sie bereit macht zur Sklaverei; und Herrscher haben in dieser Schöpfungsgeschichte nicht zu suchen, es gibt sie einfach nicht.
Diese Geschichte ist kein Mythos über eine Vergangenheit, darüber wie die Welt erschaffen wurde; sondern sie greift in die Zukunft, wie die Erde gut und schön werden soll. Und in ihr wird jede und jeder als Mensch mit gleicher Würde, werden Menschen in ihrer bunten und queren Vielfalt, so ist es gemeint, zum Bild Gottes. – In einem Anfang schuf Gott Himmel und Erde, etwas ganz Neues. Und wir sollen uns und alle als Mitbeteiligte Gottes erkennen, aber eben so: Der andere, ist wie du, ist Bild Gottes. – In einem Anfang. Das kann jeder Moment sein, der noch kommt: Jetzt ist die Zeit.

Jetzt ist die Zeit! Dieses Leitwort ist dem Beginn des Evangeliums von Markus entlehnt (Mk 1,15), das erste öffentliche Wort Jesu: „Der Augenblick ist gekommen, die Zeit erfüllt. Die Gottesherrschaft ist nahegekommen.“ In diesen Anfang, auf diesen Weg werden die Frauen und alle anderen am Ende des Evangeliums geschickt. – Was heißt es, an Auferstehung zu glauben, wenn sie in diese Welt hineinführt??
Der inzwischen über 90jährige Theologe Fulbert Steffensky hat vor ein paar Tagen einen Text veröffentlicht, in dem er darauf antwortet: „Geglaubt wird mit den Füßen, die zu denen laufen, die das Leben quält. Geglaubt wird mit den Händen, die die Ertrinkenden vom Untergang retten. Gott gibt unserem Glauben etwas zu tun… Er treibt uns aus unseren Nestern… Auferstehung wird zu unserem Aufstand. Das ist die Würde, die Gott uns zumutet.“ Dem falschen Tod von Menschen widersprechen: Hunger, Armut, Folter, Stummheit, Krieg, Ausbeutung.
Man kann nicht an Auferstehung glauben und zugleich Menschen aus dem Land jagen oder sie im Meer ertrinken lassen. Man kann nicht an die Auferstehung glauben und zugleich uns zu Tode rüsten. Man kann nicht an Auferstehung glauben zugleich die Erde so kaputt machen, dass das Leben der eigenen Kinder und Enkel gefährdet ist. Jetzt ist die Zeit – für Auferstehung.

Und ich schließe und tue es bewusst mit Sätzen aus der Predigt von Quinton Ceasar, die er im Abschlussgottesdienst des Evangelischen Kirchentages 2023 in Nürnberg gehalten hat und für die er angefeindet worden ist. Quinton Ceasar ist schwarz, stammt aus Südafrika, ist Aktivist und Pastor an der Friedenskirche im ostfriesischen Wiesmoor. Was er sagte, bedeutet Auferstehung:

„Die Zeit ist jetzt, zu sagen:
Wir sind alle die Letzte Generation.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Black lives always matter.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Gott ist queer.
[Jetzt ist die Zeit zu sagen: Wir geben rechten Parolen, Antisemitismus, Rassismus und Ausgrenzung keinen Millimeter Raum unter uns.
Jetzt ist die Zeit zu sagen: Die herrschenden politischen und ökonomischen Zustände sind nicht und waren nie neutral, und sie sind nicht das Ende der Geschichte.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: System change not climate change!]
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: We leave no one to die.
Jetzt ist die Zeit, zu sagen: Wir schicken ein Schiff.
UND wir empfangen Menschen in sicheren Häfen. Safer spaces for all.
Gott ist immer auf der Seite derer, die am Rand stehen, die nicht gesehen oder nicht benannt werden. Und wenn Gott da ist, dann ist da auch unser Platz. Gott ist parteiisch… Wir können füreinander Verbündete sein.
Wir sind hier. Wir sind viele. Wir sind nie wieder leiser.“

Jetzt ist die Zeit. Immer ist jetzt die Zeit. – Für einen Anfang. Für Auferstehung. Und immer noch zu singen: Christus ist auferstanden. Ich wünsche euch Frohe Ostern!

Peter Bernd

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