Carole Imboden-Deragisch vor den Kirchenfenstern in der Kirche Bruder Klaus, Biel
Foto: Niklaus Baschung

DER GLAUBE GEHÖRT IN DIE GEMEINSCHAFT

CAROLE IMBODEN-DERAGISCH ABSOLVIERTE IN BIEL IHRE AUSBILDUNG ZUR PFARREISEELSORGERIN. IM JUNI HAT SIE VON BISCHOF FELIX GMÜR DIE INSTITUTIO ERHALTEN.

CAROLE IMBODEN-DERAGISCH ABSOLVIERTE IN BIEL IHRE AUSBILDUNG ZUR PFARREISEELSORGERIN. IM JUNI HAT SIE VON BISCHOF FELIX GMÜR DIE INSTITUTIO ERHALTEN.

Carole, Sie werden nach der abgeschlossenen Ausbildung zur Pfarreiseelsorgerin vorerst anderweitig tätig sein. Weshalb?

Carole Imboden-Deragisch: Wir werden mit der ganzen Familie mit dem Circus Monti unterwegs sein. Das ist ein lang gehegter Traum. Gemeinsam mit meinem Mann und zwei unserer Kinder konnte ich schon einmal zwei Jahre lang diesen Zirkus begleiten. Nun ist altersmässig die letzte Gelegenheit dieses Abenteuer noch einmal mit der ganzen Familie zu erleben. Wir haben mit einer geteilten Stelle Aufgaben beim Buffet, beim Auf- und Abbau der Zelte. So hat immer ein Elternteil Zeit, den Tag mit den Kindern zu gestalten.

Was sind Ihre prägendsten Erfahrungen, die Sie in Biel gemacht haben?

In Biel begeistert mich das Engagement der Gläubigen. Einmalig und ansteckend ist hier, dass Menschen Kirche sein und gestalten wollen. Ich habe mich in Biel schnell willkommen und daheim gefühlt. Sehr angesprochen hat mich auch die Sprachenvielfalt, die ich im Pfarreizentrum Bruder Klaus miterleben durfte. Mich fasziniert, dass auf dem Platz Biel mit den vier Sprachgemeinschaften die Weltkirche präsent ist. Das Allumfassende, was «katholisch sein» auch ausmacht. Mit diesen verschiedenen theologischen und spirituellen Ausrichtungen ist auch viel Potential vorhanden. Wie in der Weltkirche auch, kann dies Spannungen auslösen. Wir können hier in Biel daher ein Vorbild sein, wie wir trotz verschiedenen Schwerpunkten gemeinsam katholisch sein können.

Menschen für kirchliche Angebote zu begeistern, wird immer anspruchsvoller. Gibt es erfolgversprechende Strategien?

Ich denke, es geht vor allem um Selbstermächtigung. Kirche wird gemeinsam mit den Gläubigen gestaltet. Nicht angestellte, sogenannte «Profichristen» bestimmen, was in einer Pfarrei möglich ist. Wegen zunehmendem Personalmangel sind wir – zum Glück – auf die Gläubigen angewiesen. Die Begleitung dieser Menschen, die den Glauben und die Gemeinschaft leben wollen, das ist ein spannender Ansatz, der mir in meinem Beruf als Seelsorgerin gefällt.

Während Ihrer Ausbildung wurde die katholische Kirche der Schweiz vom Missbrauchsskandal erschüttert. Hat dies Ihre Einstellung zur Arbeit im Rahmen dieser Institution verändert?

Die Ergebnisse der Missbrauchsstudie haben mich nicht überrascht. Für mich ist ausschlaggebend, welche Konsequenzen die Kirche daraus zieht. Ich verfolge dies kritisch und unterstütze die Menschen, welche ihre Stimme erheben, damit nichts in Vergessenheit gerät und die Verantwortlichen nicht weitermachen wie bisher.

Haben Sie sich nicht grundsätzlich gefragt, will ich in einer solchen Institution überhaupt tätig sein?

Diese Frage stelle ich mir nicht erst seit der Missbrauchsstudie. Als Frau in der Kirche stellt sich diese Frage immer wieder, weil es wichtig ist, sich zu positionieren. Die Kirche ist meine Heimat und ich leide unter ihrem Vertrauensverlust. Wenn ich allerdings in der Institution etwas bewegen will, dann muss ich dies innerhalb der Kirche tun. Momentan habe ich genug Spass daran, für andere ein Dorn im Fleisch zu sein.

Ihre Begeisterung für den Glauben - blieb diese also unversehrt?

Ich bin überzeugt, Glaube kann nicht nur individuell gelebt werden, sondern gehört in die Gemeinschaft. Und hier hat die Kirche weiterhin ihre Berechtigung. Ich komme bei allem Hinterfragen immer wieder zum Schluss, dass dieser Glaube eine schlüssige Form ist, mein Leben auszurichten nach dem Evangelium und dem Vorbild von Christus.

Interview: Niklaus Baschung

 

 

Diese Website nutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung der Site stimmen Sie deren Verwendung zu und akzeptieren unsere Datenschutzrichtlinien.